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15.09.1999 / Gesellschaft für politische Aufklärung, Innsbruck

Werner Bundschuh: "Rechtsextremismus in Vorarlberg nach 1945". Anmerkungen zu einer Studie von Franz Valandro
---> Franz Valandro: Rechtsextremismus in Vorarlberg nach 1945

 

Werner Bundschuh

 

"Historikerstreit: Vorwürfe der Zensur und des Revisionismus" lautet eine Balkenüberschrift am 10. Mai 1999 im Standard. Die Standard-Redakteurin Jutta Berger nimmt in diesem Artikel ausführlich zum derzeitigen Diskurs über die Vorarlberger Zeitgeschichtsforschung Stellung. Auf der einen Seite stehen die Historiker der Johann-August-Malin-Gesellschaft, die sich seit Anfang der achtziger Jahre bemühen, verdrängte und "vergessene" Kapitel der Landesgeschichtsschreibung aufzuarbeiten, auf der anderen ein eindeutig rechtsorientierter Schreiber, der in geschichtsfälschender Weise "revisionistische Tendenzen" salonfähig machen möchte, und seine Gönner: Bisheriger Höhepunkt dieser heftigen Kontroverse war der Versuch des Historikers Manfred Stoppel in der Zeitschrift Montfort den Vorarlberger NS-Landeshauptmann Anton Plankensteiner in seiner Mitverantwortung für das NS-Terrorregime zu entlasten. Diejenigen, die sich gegen solche Versuche zur Wehr setzen, müssen sich in der Öffentlichkeit dem "Zensur-Vorwurf" durch den Chef des Landesarchives Univ. Prof. DDr. Karl Heinz Burmeister aussetzen.

Manfred Stoppel ist kein unbeschriebenes Blatt: Im "Handbuch des Rechtsextremismus" (Auflage 1993) scheint er auf den Seiten 160 und 225 in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Jugendsprecher der (heute verbotenen) Nationaldemokratischen Partei (NDP) in Vorarlberg auf. Und auch jener Mann, in dessen Dunstkreis sich Stoppel Anfang der achtziger Jahre aufgehalten hat, nimmt in dieser Dokumentation breiten Raum ein: der 1991 wegen NS-Wiederbetätigung (nach § 3 g) verurteilte "Sieg"-Herausgeber und Rechtsextremist mit internationalen Beziehungen Walter Ochensberger.

Walter Ochensberger ist der wohl prominenteste Vorarlberger Rechtsextremist. Aber er ist nicht der einzige. Im Bericht des Innenministeriums hieß es über die Vorarlberger Szene im Jahre 1993: "Innerhalb der Gesamtthematik Rechtsextremismus stellen Jugendliche in Österreich grundsätzlich kein besonderes Problem dar. Eine Ausnahme zeigt allerdings die Situation in Vorarlberg, wo mehr dem rechten Lager zuzuordnende Jugendgruppen als im gesamten übrigen Bundesgebiet existieren ... Ein Grund hierfür ist der Einfluß der deutschen Szene, aber auch der besonders hohe Ausländeranteil." Spätestens seit diesem Bericht konnte die kleine, aber sehr gewaltbereite Vorarlberger Skinheadszene mit medialem Interesse rechnen.

Es ist das große Verdienst des jungen Politologen Franz Valandro in seiner Publikation "Rechtsextremismus in Vorarlberg nach 1945" jenes Umfeld transparent gemacht zu haben, in dem rechtsradikale und rechtsextremistische Deutungsmuster wachsen und gedeihen.

Die Arbeit von Valandro schließt eine wichtige Forschungslücke: Es gibt zwar mehrere Publikationen zum Rechtsextremismus in Österreich, aber die Erforschung des regionalen Rechtsextremismus, des Rechtsextremismus in den Bundesländern, läßt nach wie vor noch weitgehend auf sich warten. Für Vorarlberg liegt nun diese wichtige Studie vor. Der Autor untersucht nicht nur den aktuellen Vorarlberger Rechtsextremismus, sondern stellt ihn in seiner historischen Kontinuität dar. Er zeigt auf, wie ÖVP und SPÖ nach 1945 um die Stimmen des "dritten Lagers" buhlten, wie sich viele ehemalige Nationalsozialisten 1949 im VdU, der Vorläuferorganisation der FPÖ, organisierten und welche ideologischen Fortsetzungsmuster sich damit auch auf regionaler Ebene ergaben.

Valandro untersucht desweiteren ausführlich die Entwicklung der NDP in Vorarlberg, die zweifellos 1980 bei den Bundespräsidentenwahlen ihren Höhepunkt erreichte. Norbert Burger, der Kandidat der extremen Rechten, erhielt damals in Vorarlberg 6.059 Stimmen und erzielte damit 4,02% der Wählerstimmen, was deutlich über dem österreichischen Durchschnitt lag. Galionsfigur der Vorarlberger NDP war Walter Ochensberger, sein "Jugensprecher" der eingangs zitierte Manfred Stoppel. Die Abhaltung des gesamtösterreichischen NDP-Parteitages in Vorarlberg mußte 1981 im Geheimen erfolgen: Die Behörden untersagten die offizielle Veranstaltung, doch wurde sie illegal in Lustenau abgehalten.

Nach dem Zerfall der heimischen NDP im Jahre 1983 konstituierte sich um Gertraud Orlich aus Nüziders die "Österreichische Bürgerpartei" (ÖBP). Der Erfolg dieser rechtsextremen Splittergruppe war bescheiden, besonders nach dem Innsbrucker Parteitag der FPÖ, der 1986 Dr. Jörg Haider an die Spitze dieser Partei brachte.

Valandro belegt in seiner Analyse eindrücklich, welche Scharnierfunktion die rechtsextreme Vorarlberger Szene in diesen Jahren im österreichischen und internationalen Spektrum spielte und welche personellen Verbindungen es gab und noch gibt: Orlichs Sohn war zum Beispiel Mitglied in der (mittlerweile verbotenen) "Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition" (VAPO), einer militant rechtsextremen und gewaltbereiten Gruppe, deren Anführer Gottfried Küssel 1993 zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde.

Der Abschnitt über Walter Ochensberger und seine Zeitschriften "Sieg" und "Aktuell" zeigt, wie verflochten das internationale Netzwerk der Rechtsextremen ist. Ochensberger sprengt den engen regionalen Rahmen. Dies zeigt bereits die Unterüberschrift: "Reiseziel: Bagdad - Ochensberger im globalen Netzwerk des Rechtsextremismus". Neben Verbindungen in die Schweiz und nach Deutschland bestanden Kontakte zu rechtsextremen und neonazistischen Gruppen in ganz Europa, so nach "Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und Spanien." Aber auch Verbindungen in die Republik Südafrika, nach Argentinien, Brasilien, Chile, Australien und in die USA lassen sich nachweisen (S. 70). Viele wollten in Ochensberger "nur einen harmlosen Spinner" sehen, eine Einschätzung, die auch Geschworene teilten. Dreimal wurde der Neonazi angeklagt, aber ebenso oft in Feldkirch freigesprochen, ehe Ochensberger verurteilt wurde.

Besonders informativ sind Valandros Ausführungen im zweiten Teil seiner Untersuchung. So detailliert und akribisch hat bisher noch niemand die Vorarlberger Skinheadszene untersucht. Wer bisher nur die "weißen Schuhbänder" als äußeres Zeichen für Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu deuten wußte, wird nach der Lektüre ein sehr viel differenzierteres Bild über die Skinheadkultur erhalten. Die Entstehung, Entwicklung, die aktuelle Situation und Perspektiven in der Jugendarbeit werden ausführlich dargestellt.

In einem eigenen Anhang werden die Oral-history-Ergebnisse präsentiert. Als Interviewpartner standen u.a. der Sicherheitsdirektor Dr. Elmar Marent, der Leiter der Jugendberatungsstelle "Mühletor" in Feldkirch, Arno Dalpra, und die Leiterin des Jugendtreffs "Westend", Rita Mittelberger, sowie drei Aussteiger aus der Skinheadszene und zwei aktive, rechtsextreme Skinheads zur Verfügung.

Rechtsextreme Werthaltungen und Einstellungen weisen die verschiedensten Aspekte auf, und sie sind kein ausschließliches Phänomen jugendlicher Randgruppen, etwa der Skindheads, sondern sie kommen auch aus der "Mitte der Gesellschaft". Die problematische Argumentationslinie der "Pro-Vorarlberg-Bewegung" (1980) unterstreicht diese Feststellung: Ausländerfeindlichkeit, ein alemannenzentriertes Weltbild gepaart mit einem Schuß Rassismus und übersteigertem Landesbewußtsein bildeten einen Ideologiemix, an den die verschiedensten Rechtsgruppierungen mühelos anknüpfen konnten.

Valandro untersuchte auch die Verbindungen der Skinheadszene zu Jörg Haider, der für viele aus dieser Randgruppe ideologische Berührungspunkte bietet. Ein Interviewpartner sagte im Bezug auf die Frage nach seiner ideologischen Ausrichtung: "Ich stehe sicher rechts und bin auch mit der Politik hier nicht zufrieden. Eigentlich gibt es in Österreich nur die FPÖ, die mich manchmal anspricht, aber sonst... so deutsche Parteien wie die 'Republikaner' sind besser, aber die sind ja in Österreich dank unserer Demokratie verboten... Ideologie haben fast alle (Skinheads) die gleiche, auch was den Nationalsozialismus und Hitler betrifft, aber auch gegenüber Ausländern, Schwulen, Linken und Asozialen." (S. 104). Die Frage, wie sehr Funktionäre und Anhängerschaft der FPÖ durch rechtsextremes Gedankengut geprägt sind, wird von Valandro - trotz der Ausführungen auf S.108 ff. zum Volksbegehren "Österreich zuerst" - sehr vorsichtig behandelt. In der Einleitung hält er dazu fest: "Einige Aussagen in den Interviews, welche die Kontakte der Skinheads zur FPÖ betreffen, habe ich auf Wunsch meiner Interviewpartner gestrichen, da sie sonst die Veröffentlichung der Interviewprotokolle nicht autorisiert hätten." (S. 11).

Der kritische Rezensent könnte bei dieser Passage einhaken. Wenn es an der vorliegenden verdienstvollen Arbeit etwas zu monieren gäbe, dann die sehr behutsame Einschätzung der Vorarlberger Regierungspartei FPÖ, der eine liberale Grundtendenz attestiert wird. Es kommt allerdings auf den Bezugspunkt an.

Franz Valandros Buch, das als 15. Band der Reihe "Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs" erschienen ist, hat nach dem Erscheinen eine rege Diskussion ausgelöst. Wie fruchtbar der rechtsextreme Nährboden in Vorarlberg ist, belegt die wissenschaftliche Untersuchung Valandros, die auf einer Diplomarbeit am Politologischen Institut der Universität Innsbruck beruht. Im Vorwort gehen Anton Pelinka und Reinhold Gärtner auf die Gefährlichkeit dieses Gedankenguts ein: "Die Frage der Gefährlichkeit rechtsextremer Gruppen und Organisationen kann nicht mit einem klaren Ja oder einem ebenso klaren Nein, sondern immer nur graduell mit 'mehr' oder 'weniger' beantwortet werden. Gerade dies macht die Beschäftigung mit Rechtsextremismus schwierig, und den Forschungsgegenstand nicht immer eindeutig ein- bzw. abgrenzbar."
Alltagsrassismus, ungeklärte Brandanschläge, gewaltbereite Skinheads passen nicht in das Bild vom "sauberen Ländle." Das Verdienst, den Blick für das Problem des Rechtsextremismus vor der Haustüre geschärft zu haben, gebührt Franz Valandro. Randalierende Skins als "rechtsradikal" zu outen, ist relativ einfach. Schwieriger wird die Einschätzung, wenn der Leiter des Landesarchivs einen offensichtlichen "Revisionisten" und Ex-NDPler im Namen der Meinungsfreiheit in Schutz nimmt und jene, die diesen Tendenzen öffentlich entgegentreten, als "Menschenjäger und Zensoren" diffamiert.

 

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